Tamikrest

  • Desert-Blues
please credit © Denny Renshaw
Die einzigartige Verbindung der traditionellen Musik des nordafrikanischen Nomadenvolkes der Tuareg mit Rock- und Funk-Einflüssen.

Der Bandname Tamikrest bedeutet „überqueren“ in der Sprache des nomadischen Saharavolkes Kel Tamashek, das landläufig als Tuareg bezeichnet wird. Es ist ein passender Name für eine Band, die so erfolgreich die musikalischen Traditionen der Sahel-Zone und des Maghrebs mit den Sounds der westlichen Musik verwebt.

Die Einflüsse reichen von Pink Floyd bis zu Rachid Taha, Flamenco, Dub, Blues und Funk. Seit ihrem 2006 erschienenem Debutalbum „Adagh“ bewegt sich die Band zwischen der Sahara und Europa, als ob diese Orte unmittelbare Nachbarn werden. Am südwestlichen Rand der Sahara liegt die Stadt Kidal, die eine der wichtigsten kulturellen Zentren der Tuareg ist. Umkämpft, erobert und zurückerobert; sie ist für die Tuareg das Symbol des Widerstands und der Hoffnung, die spirituelle Heimat eines enteigneten Volkes.

In Kidal haben sich die Musiker der Band auch zum ersten Mal getroffen und auf ihrem gleichnamigen vierten Studioalbum huldigen sie der Stadt, die sie und ihr Volk nährt und fördert. Die neue Platte ist ein Ausbruch von Klage und Leid sowie ein Aufschrei der Rebellion. Die Wüste wird allgemein als Ort der Freiheit gesehen. Viele Menschen betrachten sie jedoch als bloßen Marktplatz für multinationale Konzerne und bedrohen so das Überleben der nomadisch lebenden Völker.

„Kidal“ erscheint am 17. März auf dem unabhängigen deutschen Label Glitterbeat Records und steht für unverfälschten Tuareg Rock’n Roll sowie den Traum eines selbstbestimmten Lebens in der Stadt ihrer Vorfahren.

Tamikrest begeisterten die Konzertbesucher bereits auf zahlreichen Festivals wie Flow Helsinki, Roskilde, North Sea Jazz sowie auf Clubtourneen durch Deutschland, Europa und die USA. Ihr Live-Album „Taksera“ aus dem Jahr 2014 unterstreicht ihren Ruf als exzellente Live-Band.

Im Rahmen des Tamikrest-Konzertes werden Getränke (beispielsweise Ingwer-Hibiskus-Saft) und Snacks aus Mali angeboten, zubereitet von Köchin Fatoumata Camara.  (s. Fotos unten).

Im Rahmen des europäischen Interreg-Projektes Bérénice.

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Hintergrund:

Tamikrest-Sänger Ousmane Ag Mossa im Interview:

Musik als Waffe im Kampf für Selbstbestimmung: Die Touareg Wüstenblues-Rocker Tamikrest gehören mittlerweile international zu den bekanntesten Bands im Bereich der Weltmusik. Mit ihrem fünftem Album „Kidal“ sind sie gleich auf Platz zwei der europäischen Weltmusikcharts eingestiegen. Am 22. April um 20:30 Uhr treten sie im Rahmen des Interreg-Projektes Bérénice im Kulturzentrum Alter Schlachthof Eupen auf. Sänger Ousmane Ag Mossa spricht im Interview über seine Beweggründe, Musik zu machen und über die Schwierigkeiten in der Heimat, das kulturelle Leben aufrecht zu erhalten.

1.Wann sind Sie das erste Mal mit westlicher Rock/Pop-Musik in Berührung gekommen? Sie nennen ja Dub, Blues, Psychedelic-Rock von Pink Floyd als Einflüsse. Was hat Sie an dieser Musik emotional angesprochen?

Angefangen hat es mit Bob Marley, den wir gehört haben, als wir Jugendliche waren. Kurz danach kam Mark Knopfler. Ich mochte Marleys Kompositionen sehr und auch den Reggae-Rhythmus. Seine Musik und seine öffentlichen Aussagen haben mich sehr berührt. Bei Mark Knopfler interessierte mich vor allem seine Gitarrentechnik. David Gilmour (Pink Floyd) und Eric Clapton beeinflussen mich heute noch sehr stark. Wenn ich sie höre, kriege ich oft neue Ideen. Andererseits habe ich natürlich nicht vor, sie einfach nur zu kopieren. In der Musik muss man einfach auch andere Sachen hören, sonst dreht man im Kreis mit seinen Ideen.

2. Ihr neues Album „Kidal“ ist gleich auf Platz 2 der europäischen Weltmusikcharts eingestiegen. Tamikrest zählt mittlerweile zu den bekanntesten Weltmusik-Bands weltweit. Wie haben sich die Mitglieder kennengelernt?

Ich bilde mit meinem Kindheitsfreund und Bassisten Cheikh Ag Tiglia den Kern der Band. Wir haben sie 2006 mit Aghaly Ag Mohamedine gegründet, den wir in Kidal kennengelernt haben. 2012 ist noch Paul Salvagnac dazugekommen. Zum ersten Mal haben wir ihn 2008 in der Wüste getroffen, als er mit einem anderen Tuareg-Gitarristen spielte. Sein damaliger Schlagzeuger Nicolas Grupp hat auf unserem neuen Album mitgewirkt. Die beiden sind ebenfalls Kindheitsfreunde und sie verbindet eine lange Geschichte mit den Kel Tamashek, also den Tuareg.

3. Was waren die ersten Ziele als Band?

Als wir Tamikrest gegründet haben, war unsere Absicht die zu repräsentieren, deren Stimme nicht gehört wird. So wie es der große Ibrahim Ag Alhabib mit seiner Band Tinariwen seit 1982 macht: die Stimme der Tuareg über die Grenzen der Sahara hinaustragen, oder, wie ein Journalist in Anspielung auf den Pink Floyd Einfluss kürzlich getitelt hat: Darkside Of The Dunes, also die dunkleren Seiten des Lebens in der Sahelzone enthüllen. Deshalb sind wir froh, dass wir so hoch in den Weltmusikcharts eingestiegen sind. Nicht weil wir auf Starstatus Wert legen, sondern weil unsere Sache Gehör in der Welt findet. Die Sache jener Menschen, die fernab der Wüste seit Jahren im Exil leben und jener, die geblieben sind und unter den gewalttätigen Konflikten leiden. Sie werden auf ihrem eigenen Boden marginalisiert.

4. Ihr neues Album « Kidal » ist nach der gleichnamigen Stadt benannt, die mit zu den wichtigsten kulturellen Zentren der Tuareg gehört. Wie hat sich das kulturelle Leben in den letzten 50 Jahren entwickelt?

Kidal ist in der Tat eine wichtige historische Kulturstadt der Tuareg. Die französischen Kolonialherren ließen die Tuareg-Kultur sich relativ frei entwickeln. Bis zu den 60er Jahren war Kidal daher ein wichtiges Zentrum. Mit der Unabhängigkeit von Mali wurde ein Militärgouverneur aus dem Süden eingesetzt, der unsere Kultur absolut nicht kannte. In unserer Tradition haben beispielsweise die Frauen Instrumente gespielt und die Männer getanzt. Viele Dinge wurden fortan verboten und es wurde versucht unsere Kultur zu ändern, indem man sie mit südmalischen Einflüssen vermischte. Dies geschah aber auf total künstliche und autoritäre Art und Weise. Man kann sagen, dass im Zuge des Tuareg-Widerstands gegen die blutigen Repressionen der Armee, das kulturelle Leben in den Hintergrund gerückt ist. In den 70er und 80er Jahren gab es außerdem furchtbare Dürren. Tausende Tuareg wurden 1985 nach Algerien vertrieben. Es ging um Leben und Tod, logisch, dass das kulturelle Leben da zurückstecken musste. Natürlich hat es im Zuge der jährlichen Feste wie beispielsweise Amode oder Akass immer wieder traditionelle Feiern gegeben, bei denen Frauen gesungen und getanzt haben. Ab 1997 hat dann mit der Gruppe Tinariwen eine kulturelle Erneuerung stattgefunden. Tinariwen hatten im Jahr 2000 die französische Band Lo’Jo und ihren Manager Philippe Brix kennengelernt. Gemeinsam haben sie ein Wüstenfestival auf die Beine gestellt, das die Kultur wieder in unsere Wüste und nach Kidal zurückgebracht hat. Plötzlich gab es überall zahlreiche kleine Festivals. Das hat bis 2012 angehalten. Dann gab es wieder diesen neuen großen Konflikt mit islamistischen Terrorgruppen, die bei den Friedensgesprächen zwischen Bamako und nördlichen Bevölkerungsgruppen ausgeschlossen worden waren und seitdem ist diese Festivallandschaft wie ausgelöscht.

5. Mit ihrer Musik wollen sie malischen Jugendlichen Hoffnung spenden und ihnen eine Stimme geben. Was sagen die Jugendlichen im direkten Dialog? Wie definieren sie sich und welche Ausdrucksmöglichkeiten stehen ihnen zur Verfügung?

Natürlich wende ich mich an die Jugendlichen, aber ich möchte der gesamten Tuareg-Bevölkerung Hoffnung machen. In unseren Reihen findet man mittlerweile viele junge diplomierte Erwachsene. Die sozialen Netzwerke erlauben den jungen Leuten untereinander, aber auch mit der gesamten Diaspora zu kommunizieren. Das ist der positive Aspekt des Internets. Dazu kommt, dass es zurzeit viele Bands in der Sahelzone gibt. Bands, die Gitarrenmusik machen, traditionelle Gruppen und Rap-Crews mit teilweise sehr harten Texten.

6. Sie leben zurzeit in Algerien. Für die Aufnahmen zu Kidal sind sie in ihr Heimatdorf zurückgekehrt. Wie war ihr Lebensrhythmus dort?

Ja, zum Schreiben des Albums sind wir nach Kidal und nach Tinzaouwatene zurückgekehrt. Wir wollten inmitten unseres Volkes leben und genau beschreiben, wie es lebt. Mein Lebensrhythmus war sehr einfach. Essen, schlafen, Tee trinken mit Freunden und arbeiten, d.h. ohne Unterbrechung musizieren.

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